Erkenntnisse Kuration
Scoutings
Wenn eine Destination sich für eine Rundgangs-App entscheidet, haben die Beteiligten sich bestimmt bereits Gedanken zu den Informationen und Artefakten, die mittels der App vermittelt werden sollten, gemacht. Diese Vorstellungen müssen so schnell wie möglich verbalisiert, strukturiert und an der Realität geprüft werden. Als erster Schritt im Konzeptionsprozess wurden mit den Stakeholdern und Konzeptern mehrere eintägige Scoutings in den Ortschaften und den Sehenswürdigkeiten, wie Museen, Gebäuden, Parken, Sportanlagen, usw. durchgeführt. Die Scoutings haben zum Ziel, ein gemeinsames Verständnis der potenziellen Inhalten zu entwickeln, Wissen auszutauschen, erste Abklärungen bez. Machbarkeit zu treffen, und Vorstellungen für Augmentierungen zu formulieren. Die Scoutings wurden in Foto und Video dokumentiert.
Themenbereiche
Die grosse Herausforderung lag in der Fülle an potenziellen Sehenswürdigkeiten. Je länger man sich in die Geschichte von Davos vertiefte, je klarer wurde, dass ein Hauptthema und -Epoche gewählt werden musste. Die Ausstellung «Europa auf Kur» gab den Anhalt für den Zeitrahmen, und zwar die Zeit des Schaffens von Ernst Ludwig Kirchner bis zu seinem Tod in 1938, welcher bis anfangs 50er Jahre, auf das Ende des Tuberkulose-Gesundheitstourismus, erweitert wurde. Konsequenterweise musste, zum Bedauern gewisser Stakeholder, mehrmals ein guter inhaltlicher Vorschlag verworfen werden, um die Storyline entlang den gewählten Themen nicht zu verwässern.
Erkenntnisse Content Creation
Erstellung von Bildmaterial
Die Ausgangslage für die Ideenentwicklung für Augmentierungen wird häufig von historischem Bildmaterial gebildet. Die Suche nach Original-Bildern war mit grossem Aufwand verbunden und führte nicht immer zum Ziel. Die Annahme, dass wichtige kunsthistorische Ereignisse in einer brauchbaren Form digitalisiert worden sind, oder überhaupt, dass es Material gebe, stellte sich häufig als inkorrekt heraus. Bilder und Videos müssen, um den Anforderungen der Benutzer zu genügen, in hochaufgelöster Form daliegen. Obwohl die Ausbesserung von mangelhaften Bildmaterial technisch möglich ist, sind die damit verbundenen Kosten in der Regel nicht tragbar. Das bedeutet, bevor eine Idee in Detail ausgearbeitet wird, sollte zuerst das zugrunde liegende Material gesammelt und auf Anwendbarkeit geprüft werden.
Replizierbarkeit von Ideen
In den Brainstormings sprudelte es von bestechenden Ideen. Es wäre sehr zeitintensiv gewesen, alle diese Ideen zu verfolgen und zu implementieren. Die Lösung besteht darin, die verschiedenen Ideen zu bündeln und Muster für die Augmentierungsart zu entwickeln. Diese Muster müssen prototypisch umgesetzt und mit Testpersonen geprüft werden. Erst wenn die Muster zufriedenstellend funktionieren, darf mit der Produktion begonnen werden.
Erstellung von Tonspuren
Beim Schreiben der Geschichten für eine Augmentierung auf dem Smartphone muss speziell darauf geachtet werden, dass die Sätze für eine gesprochene Sprache geeignet sind und somit für die Hörenden verständlich bleiben (im Falle des Forschungsprojekts «Augmented Swiss Heritage» mittels AI-generierter Stimme). Dementsprechend dürfen die Sätze nicht zu kompliziert und die gewählten Worte, wenn möglich, keine Fachbegriffe sein.
Usability Testings
Um sicherzustellen, dass die Entwicklung der App sowohl aus inhaltlicher als aus technischer Sicht auf dem richtigen Weg ist, müssen von Anfang User-Testings durchgeführt werden. Der erste Prototyp womit getestet wurde, war zu rudimentär um das Beste aus den Befragungen zu holen. Vieles der Funktionalität musste simuliert oder erklärt werden, was zufolge hatte, dass das Feedback nur zu einem gewissen Teil brauchbar war. Es gilt sorgfältig abzuwägen, wie viel Programmieraufwand in einem Prototyp investiert werden sollte, um ein aussagekräftiges Usability Testing zu erreichen. Das Aufsetzen von Usability Testings ist, gleich wie die Programmierung, mit viel Aufwand verbunden. Erst mit dem zweiten Prototyp erbrachten die Usability-Testings sinnvolle Ergebnisse.
Erkenntnisse UX Design und Programmierung
UX Design
«Augmented Swiss Heritage» wurde in Unity programmiert. Unity ist eine proprietäre Laufzeit- und Entwicklungsumgebung, ursprünglich und hauptsächlich immer noch für Spiele (Spiel-Engine). Das bedeutet, die App stützt nicht auf einer webbasierten Technologie. In Unity wird das UI mit seinen Screens in verschiedenen Schichten (Engl. layers) aufgebaut. Bei Websites und Web-Apps wird das Design üblicherweise in Cascading Stylesheets (CSS) spezifiziert. Viele Frontend-Entwickler sowie auch UX-Designer besitzen CSS-Kenntnisse. Nun entstand das Problem, dass das Design nicht wie üblich als CSS an die Software-Entwickler übergeben werden konnte, sondern die meisten GUI-Elemente in mühseliger Handarbeit als .png mit transparentem Hintergrund angefertigt, und jedes Element akribisch beschrieben werden musste. Ein weitere Besonderheit betraf die Touch-Interaktionen, welche in Unity nicht so leicht programmiert werden können, als dies mit den Webtechnologien CSS, HTML und Javascript der Fall ist. Diese Einschränkung muss im UX-Design berücksichtigt werden, und verlangt eine enge Abstimmung zwischen den Designern und den Entwicklern.
Programmierung
Die Platzierung bzw. die Enkodierung von Ankern ging mit grösseren Schwierigkeiten einher. Aus Unerfahrenheit wurde der Zeitaufwand für das Ankern als viel zu niedrig eingeschätzt. Anstatt wie geplant an einem Tag etwa 10 Anker platzieren zu können, lag der Durchschnitt bei 3 bis 4. Egal ob man die Technologie theoretisch versteht, es braucht praktische Erfahrung bei der Auswahl der Anker, um ein Anker erfolgreich platzieren zu können. Anschliessend muss das Anker geprüft werden: findet die App das Anker und ist es der richtigen Sehenswürdigkeit zugewiesen? Für die Platzierung der Anker entwickelte afca. ag eine rudimentäre App. Die erste Version der Anker-App war für nicht-Programmierer schwer verständlich. Die Benutzerfreundlichkeit wurde verbessert, sodass die App brauchbar ist, doch selbsterklärend ist sie nicht. Es ist für Folgeprojekte daher notwendig, das User Interface der Anker-App intuitiv zu gestalten, sodass alle Projektbeteiligten sich die Anker-Platzierung problemlos aneignen können.
Erkenntnisse Projektmanagement
Kommunikation
Eine der wichtigsten Erfahrungen war, dass eine effektive Kommunikation innerhalb des Kern-Teams sowie auch zwischen den geografisch verteilten Experten-Teams unerlässlich ist, um das Projekt erfolgreich anzutreiben sowie Missverständnisse und doppelte Arbeit zu verhindern. Jedes Teammitglied muss regelmässig durch die Gesamtprojektleitung auf dem Laufenden gehalten werden.
Technische Kompetenzen
Eine weitere wichtige Lektion war, dass nicht alle Mitarbeitende in allen Teams über die gleichen technischen Kenntnisse verfügten wie das Content-Creation Team. Daher ist es notwendig, Fach-Terminologie mit handfesten Beispielen zu erklären und damit zu veranschaulichen. So kann auch aufgezeigt werden, was innerhalb des zeitlichen und finanziellen Projektrahmens technisch möglich ist. Kuratoren, Konzepter und Projektleiter müssen über ein gutes Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen der Technologie verfügen, indem sie sie selber nutzen, anhand von bestehenden, vergleichbaren Apps und anhand von Prototypen. Auch sollten genannte Personen lernen selbst Anker zu platzieren und abzurufen – ein Verständnis dessen ist unentbehrlich für die Konzeption und die Content-Creation.
Zeitmanagement
Tools wie Trello haben sich als äusserst hilfreich für das Zeitmanagement erwiesen, indem sie den Fortschritt des Projekts visuell darstellen und wir effizient die Fortschritte der anderen sehen konnten. Regelmässige Meetings sind auch entscheidend, um sicherzustellen, dass das Team auf Kurs bleibt und Hindernisse rechtzeitig beseitigt werden. Um den Produktionsstand des Contents zu monitoren, wurde eine Google Drive Ordnerstruktur eingerichtet, mit pro Sehenswürdigkeit einen Unterordner. Eine Statusliste in Excel zeigte den aktuellen Stand an. Es ist wichtig, dass eine Person aus dem Content-Creation die Verantwortung über die Produktion trägt, und diese Person die Statusliste fortlaufend aktuell hält.